Hardware -- Objektive -- Porträtbrennweite

Nachdem ich mein Interesse verstärkt auf die Porträtfotografie gelegt hatte, kam bei mir schnell der Wunsch auf ein geeignetes Objektiv zu kaufen. Grundsätzlich deckten meine bereits vorhandenen Zoomobjektive zwar den ganzen Brennweitenbereich von 18 bis 240 mm (mit Crop also 27 - 360 mm) ab, aber zum Teil handelte es sich noch um Kit-Objektive aus analogen Zeiten (also gefühlt aus der fotografischen Steinzeit).

Brennweite

Die erste Festlegung, die ich treffen musste, betraf die Brennweite. Nicht zu kurz - und nicht zu lang sollte sie sein. Das führt einen ja geradezu zum Zoom. Zwei Gründe sprachen für mich gegen ein Zoom: 
1. Ich wollte möglichst hohe optische Qualität zu einem möglichst günstigen Preis (wobei streng genommen die Gleichung bei 2 Variablen schon nicht lösbar ist). Also "keep it simple" - was du nicht bestellst, musst du nicht bezahlen. 
2. Eine Festbrennweite ist unbequemer. Das klingt wie ein Nachteil - hat sich aber für mich oft als Vorteil heraus gestellt: Passt der Bildausschnitt noch nicht, ziehe ich beim Zoom einfach am Tubus. Bei der Festbrennweite muss ich mich bewegen. Nicht nur im Raum, meist auch im Kopf. Dann denke ich noch mal über das Bild nach, den Bildaufbau, die Position. Am Ende gewinnt das Foto, weil ich gezwungen wurde mich zu bewegen.


Daher wollte ich mich auf eine Brennweite festlegen. Mehr Brennweite schafft zwar mehr Freistellungspotenzial, macht aber Gesichter auch flacher. Außerdem vergrößert ein Mehr an Brennweite den Abstand zum Modell. Das hat zwei Nachteile: Der Kontakt zum Modell wird schwieriger und der Kontakt zur Zimmerwand wird enger. Meine Suche beschränkte ich auf ein leichtes Tele - irgendwo zwischen Normalbrennweite und 100 mm. (Anmerkung: So wie ich mich immer noch von Zeit zu Zeit dabei erwische in DM zu rechnen, so denke ich beim Fotografieren immer noch in KB-Brennweiten.)

Ach ja, das Objektiv sollte für die Nikon D7000 sein, also eine Kamera mit Crop-Sensor (APS-C/ DX). Klar besteht der Wunsch, irgendwann mal Vollvormat zu fotografieren - aber mal ehrlich, wann wird das sein (wenn ich im Lotto gewonnen habe?). Und was wird es dann für Objektive auf dem Markt geben? Nein, DX-Objektive reichen erst mal - mehr schadet aber grundsätzlich nicht. Dabei kamen Brennweite von 50 bis 70 mm (umgerechnet 75 - 105 mm KB-Bildwinkel) infrage.

Offenblende

Der zweite wichtige Parameter bei einem Objektiv ist die Offenblende des Objektivs. Die Offenblende wird oft auch als Lichtstärke bezeichnet. Völlig irreführend. Lichtstark ist ein Objektiv immer nur im Bereich seiner Offenblende. Wenn ich mich also für ein Objektiv mit einer maximalen Offenblende von 1,4 entscheide, dann ist solch ein Objektiv genau bis zur Blende 1,8 lichtstärker als ein f/1,8-Objektiv. Danach sind beide Objektive gleich "lichtstark".



Dennoch gilt natürlich: Je kleiner der angegebene Wert, desto besser. (Genau genommen, geht es um den Nenner des Bruchs Brennweite/Blende) Allerdings handelt es sich bei der Offenblende auch um einen echten Preistreiber. Je nach Brennweite gibt es eigene magische Grenzen. Wenn man die überschreitet, dann wird es exorbitant teuer. Beispielsweise gibt Nikon den Preis für das AF-S NIKKOR 50 mm mit einer Offenblende von 1,8 mit 229 € an. Möchte man das gleiche Objektive mit einer Blende von 1,4 erwerben, dann sind 429 € fällig. Dabei reden wir von gerade mal 2/3 Blendenstufen. Wer Lust hat, der kann ja mal nach f/1.2 oder kleiner suchen.

Ach ja, einen Nachteil neben dem hohen Preis gibt es bei den großen Offenblenden zusätzlich: Die sogenannte Lichtstärke wird mit Glas und Raum erkauft. Soll heißen, die Objektive werden groß und schwer. Die oben genannte NIKKOR-Linse ist nur fast 50% schwerer als ihr kleineres Schwestermodell. Da gibt es ganz andere Kaliber. Bei anderen Brennweiten sind die Unterschiede oft so gravierend, dass schnell eine neue Fototasche fällig wird.

Zwei Gründe werden meist aufgeführt, warum die Offenblende möglichst groß sein MUSS: Man will im Dunkeln ohne Blitz fotografieren und sein Objekt möglichst freistellen. Für mich habe ich die Argumente mal hinterfragt: Wer im Dunkeln nicht blitzen möchte, dem empfehle ich das Lighting-101-Tutorial von David Hobby. Für den Mehrpreis den eine Blendestufe mitunter kostet, kann man sich auch einen guten Blitz mit Funkauslöser leisten. Die Geschichte mit dem Freistellen ist zugegen reizvoll. Dazu gibt es auch viele Beispiele in den einschlägigen Foren. Wenn man aber mal die EXIF-Daten von den meisten Porträts inspiziert, dann sind es wenige Bilder, die unterhalb von Blende 2 fotografiert werden. Bei Blende 2 ist die Nasenspitze und das Ohrläppchen schon unscharf. Oder auch schon mal umgekehrt: Nasenspitze scharf und Auge unscharf. Soll heißen, jenseits von Blende 2 wird es sehr speziell und erfordert äußerste Sorgfalt. Gruppenaufnahmen sind geradezu unmöglich.

Wahl des Objektives

Nach all diesen grundsätzlichen Überlegungen habe ich dann Testberichte und Forenbeiträge gesichtet, sortiert und habe versucht das ganze einzuordnen. Was blieb, war ziemliche Verwirrung. Wie kann es eigentlich sein, dass zwei Testzeitschriften bei ein und dem selben Objektiv so unterschiedliche Urteile fällen? Erst im Nachhinein habe ich eine schlüssige Erklärung gefunden: Roger Cicala erklärt in aller Ausführlichkeit, warum der Test 1 Objektives nicht reicht (http://petapixel.com/2013/09/14/perfect-lens/). Und warum verschiedene Messverfahren nicht so ohne Weiteres vergleichbar sind (http://petapixel.com/2013/10/11/perfect-lens-test-either/). Sein Fazit: Bei den verwendeten Messverfahren und der Tatsache, dass es bei Objektiven eine erhebliche Fertigungstoleranz gibt, können all die einschlägigen Tests in der Tat nur eine Tendenz widerspiegeln.



Nach einigem Hin- und Her habe ich mich dann für das Tamron SP AF 60mm f2.0 Di II LD IF Macro entschieden.

Würde ich es wieder kaufen?


Ja. Nach wie vor glaube ich, dass es sich bei dem Tamron um ein sehr gutes Preisleistungsverhältnis handelt. Die Brennweite hat sich für viele Porträt-Situationen als sehr geeignet herausgestellt. Darüber hinaus habe ich mir aber noch eine Normalbrennweite angeschafft, denn die 90 mm Vergrößerung sind in engen Räumen dann oft zu viel. Und auch den verengenden Bildeindruck setze ich gerne gezielt ein.  

Die angegebene Blende von 2 erreicht das Objektiv nicht über den gesamten Fokusbereich. Bei klassischem Porträtabstand ist eine maximale Blende von 2,2 die Regel. Dennoch empfinde ich die Schärfentiefe und das Freistellungspotential als absolut praxistauglich.


Größter Kritikpunkt ist der Autofokus. Dieser könnte einfach noch schneller sein. Bei widrigem Licht ohne Hilfslicht der Kamera wird es oft unmöglich den Fokus automatisch zu setzen. Allerdings sieht es bei dem NIKKOR 35mm 1,8 auch nicht wesentlich besser aus. Vielleicht überschätze ich da auch einfach die Möglichkeiten der Technik im Allgemeinen oder zumindest die der D7000.


(Update 29.10.2013:) Zufällig bin ich über einen Artikel in der ColorFoto 6/2013 gestolpert: Autofokustest Canon EOS 5D Mark III, Nikon D800, Sony SLT-A99. Fazit: Lediglich 40-50% aller automatisch fokusierten Fotos sind fehlerfrei fokussiert - ca. 20% sind gravierend falsch fokussiert, unabhängig vom jeweiligen Objektiv oder Brennweite. Da ist also noch Luft nach oben.

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