Samstag, 30. Januar 2016

Kata Nr. 7: Simulierte Lichtschachtkamera (Entschleunigung Teil 2)

Wie schon bei der letzten Kata geht es hier darum, den eigenen Fotoprozess zu entschleunigen und so bewusster den Bildaufbau zu steuern. Und wieder ziehe ich dazu eine kleine Lernhilfe (vormals auch Krücke genannt) heran: Diesmal den Lichtschacht. 

Faltlichtschachtsucher offen IMGP0555
Quelle: wikipedia; Foto: Smial; Free Art License.

Jeder kennt sicher das Bild vom Fotografen im 19. Jahrhundert, der sich ein schwarzes Tuch über den Kopf warf, um das umgekehrte und seitenverkehrte Bild auf einer Mattscheibe betrachten zu können. Die Erfindung des Lichtschachts war da ein echter Fortschritt. Das Bild wurde über einen Spiegel nach oben geleitet. So hatte man von oben Einblick und hinten dauerhaft Platz für den Film. Damit das Umgebungslicht nicht stört, wurde die Mattscheibe an allen vier Seiten durch Blenden abgeschattet - der so genannte Lichtschacht. Heute noch bei Ebay erhältliche Kameras, die solch einen Lichtschacht besitzen, sind z.B. die zweiäugigen Yashika 124, Mamiya 645 oder Rolleiflex. Oder als einäugige Varianten mit Klappspiegel: Mamiya RB67 oder Hasselblad 500 (nach Einstiegspreisen sortiert).

Nikon D750, 1/100, f/3,2, ISO 100, 50 mm © T. Cremer
Zwei Dinge sind für uns jetzt interessant. Zum einen...
...verändert sich der Blickwinkel. Naturgemäß nimmt die Kamera eine niedrigere Position ein, wenn man von oben in sie hineinguckt. Zum anderen besitzen alle obigen Kamerast, bis auf die Mamiya 645, ein quadratisches Bildformat. Und auch dieses Bildformat (1:1) wollen wir nutzen, um mit unseren angewöhnten Sehgewohnheiten zu brechen. 

Technisch haben wir nun drei Möglichkeiten, um an eine Kamera zu kommen, mit der wir die Kata ausprobieren können:
  1. Unserem G.A.S (Gear Acquisition Syndrom) nachgeben und uns eine analoge Mittelformat-Kamera bei Ebay schießen. Macht Sinn, wenn man:
    1. das Fotografieren mit Film liebt (wohl der beste Grund)
    2. noch Platz in einer Vitrine hat
    3. sowieso nicht weiß, wohin mit seinem Geld
  2. Wenn du eine Kamera mit Klappbildschirm hast, dann bastle dir einen Lichtschacht selbst (siehe unten).
  3. Wenn 1. und 2. nicht zutrifft, dann verzichte auf den Lichtschacht und reduziere die Übung auf das quadratische Format (näheres folgt).

Der auf dem Monitor aufgesetzte 'Lichtschacht' wurde mit Klebeband fixiert © T. Cremer
Ich persönlich habe mich für Lösung 2 entschieden (auch wenn 1 immer noch an mir zerrt...). Aus 4 alten Kredit- und Kundenkarten und etwas schwarzem Klebeband habe ich mir einen Lichtschacht gebastelt und an der Kamera befestigt. Zusätzlich habe ich mir eine Schablone aus Pappe geschnitten, die in den Lichtschacht passt und den rechteckigen Monitor so abdeckt, dass ein quadratisches Bild übrig bleibt. Den letzten Schritt kann man auch realisieren, wenn man keinen Klappbildschirm besitzt. Zu der ganzen Aufgabe passt meines Erachtens ganz wunderbar eine Normalbrennweite (4/3rd: 25 mm; APS-C/DX: 35 mm; KB: 50 mm; Mittelformat 6x6: 80 mm). 


Blick in den Lichtschacht mit Maskierung © T. Cremer
Das quadratische Format ist im Sinne der Bildgestaltung eine Herausforderung, da es vollständig symmetrisch ist. Von daher ist es sehr spannend mit einer derart präparierten Kamera auf die Pirsch zu gehen. Die niedrige Perspektive und die ungewohnte Handhabung tragen ihr Übriges dazu bei, aus dem gewohnten Knipsen eine besondere Erfahrung zu machen. Hinzu kommt, dass bei meiner Kamera der Autofokus im LiveView so - ähm, wie sage ich es mal - so mittel ist. Das heißt, auch das Fokusieren wird zu einem sehr bewussten (ggf. sogar manuellen) Vorgang.

Nikon D750, 1/100, f/3,2, ISO 100, 50 mm © T. Cremer
Ich hoffe, die Übung macht dir Spaß. Vielleicht berichtest du mal. Bis dahin alles Gute.







"Jede Kata im Karate vermittelt einen spezifischen, charakteristischen Kampfstil" (Wikipedia). Die Idee des Übens von charakteristischen Stilelementen will ich hier aufgreifen. Wie beim Karate der Kampfstil verinnerlicht werden soll, um ihn im Kampf abrufen zu können, soll die Foto-Kata dazu dienen die verschiedenen Stilmittel zu üben, um sie beim Shooting verlässlich einsetzen zu können. 

Normalerweise startet man als Fotograf bei einem Motiv oder auch mal bei einer Stimmung und endet bei einem oder mehreren Stilmitteln. Bei den Foto-Katas gehen wir umgekehrt vor: Wir starten jeweils bei einem Stilmittel und suchen uns dazu ein Motiv.






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