Sonntag, 29. Dezember 2013

Hardware -- Objektive -- 35mm-Porträtbrennweite


Eine 35 m-Brennweite als Porträtbrennweite zu bezeichnen ist schon etwas gewagt. Aber genau das ist ja das Tolle an solch einem Objektiv: Eine super Brennweite um ein wenig zu wagen.





Die Idee war eine Normal-Brennweite für den APS-C-Sensor anzuschaffen (35 mm entspricht hier 52 mm). Die Beschränkung auf eine Festbrennweite sollte bei hoher Qualität etwas Geld sparen. Darüber hinaus bin ich davon überzeugt - wie bereits bei der 60mm-Brennweite geschildert - dass eine Festbrennweiten als kreativen Katalysator funktionieren kann. 

Und noch einen Vorteil hat die 35er-Brennweite: Die Auswahl ist hier recht übersichtlich. Der Heise-Preisvergleich liefert für das Nikon-F-Bajonett ganze 3 Autofokus-Objektive. Nikon und Sigma bieten Objektive mit Anfangsblenden von 1,4 an, Nikon darüber hinaus noch ein Objektiv mit einer 1,8er-Blende. Wer mit einer Vollformatkamera unterwegs ist bzw. nicht ausschließen kann sich eine solche anschaffen zu wollen, für den wird die Entscheidung noch einfacher: Auf der einen Seite das AF-S NIKKOR 35 mm 1:1,4G von Nikon für ca. 1450,- Euro - auf der anderen Seite das 35mm F1.4 DG HSM aus dem Hause Sigma für schlappe 680,- Euro.

Wenn man sich aber auf den APS-C-Sensor beschränkt (wie bei meiner D7000) bietet Nikon das AF-S DX 35mm 1.8G für ca. 160,- Euro an. Upps! Wir vergleichen hier Objektive mit einander, die 4x bzw. 8x soviel kosten, wie das "Einsteiger-Modell". Dazu kommt, dass Sigma in früheren Jahren sich nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert hat, was die Fertigungstoleranzen angeht. Zum Thema Offenblende und meiner Einschätzung zu der letzten 2/3-Stufe habe ich ja bereit beim 60 mm-Objektiv einiges gesagt, also lasse ich hier nur ein Bild sprechen.



  
Im Grunde war es für mich alten Sparfuchs viel zu verlockend eine original Nikkor-Linse bekommen zu können, ohne dafür wer weiß wie lange sparen zu müssen. - Quasi ein Gelegenheitskauf: AF-S DX 35mm 1.8G komm zu Papa.

Überraschungen

Ein Grund, warum ich mich für die Nikkor-Linse entschieden hatte, war, wie bereits erwähnt, der zweifelhafte Ruf, den sich Sigma in den vergangenen Jahren erarbeitet hatte. Viermal soviel zahlen und dann nicht mal sicher sein, was man bekommt (- wenn man der Fachpresse glauben darf, soll sich bei Sigma im letzten Jahr entscheidendes geändert haben)? - Nein dann lieber Nikon-Original: Gut gedacht - hat aber so gar nciht geklappt. Das erste Objektiv musste ich über die Linsenkorrektur meiner Kamera justieren und dann stellte es im Nahbereich scharf. Wollte ich in die Ferne fokussieren, dann musste ich die Feinjustage erneut ändern (war das Objektiv nicht korrekt zentriert?). Das hatte ich von Nikon wirklich nicht erwartet. Das Exemplar ging also zurück zum Absender. 

Das zweite Modell war dann aber korrekt gearbeitet. Zwar muss auch dieses nachjustiert werden, aber hier wirkte der Korrektur-Faktor über den gesamten Fokusbereich. 



Die zweite Überraschung war die Bildcharakteristik. Der Aufnahmewinkel wird über die Brennweite und die Größe des Sensors bestimmt. Demnach handelt es sich bei einem DX-35mm -Objektiv um ein leichtes Tele (52 mm KB, Normalbrennweite wäre 42 mm). Nach meinem Empfinden entspricht die Bildcharakteristik aber eher einem leichten Weitwinkel. Ich war so verunsichert, dass ich den Blickwinkel nachgemessen habe. Ich glaube ich muss mich noch mal mit meinem Walter hinsetzen und Optik büffeln. Aber wichtiger als alle physikalische Erklärung ist das Bild. Und ich muss sagen: Es gefällt mir.

[Update]
Also das mit der Brennweiten-Perspektive hat mir ja keine Ruhe gelassen. Seit Jahren kenne ich die Aussagen zur Bildgestaltung "Tele verkürzt die Perspektive" oder "Weitwinkel verzerrt". Wie sich aber nun der Crop-Faktor dazu verhält hatte ich nicht auf die Reihe bekommen - ja im Grunde, weil ich diese Standard-Floskeln eigentlich nie hinterfragt habe. Eine sehr gute Erklärung zum Thema Brennweite und Perspektive habe ich bei Elmar Baumann gefunden. Um es kurz zu machen. Die Grundregeln zur Perspektive (ihr erinnert euch sicher an die Perspektivlinien im Kunstuntericht) haben nichts mit der Brennweite zu tun. 
 Nehmen wir eine typische Motivsituation: Das Hauptmotiv steht 100 Meter vom Fotgrafen entfernt. Am Horizont steht ein Hintergrundmotiv. Um das Hauptmotiv formatfüllend zu fotogrfieren, verwende ich ein Teleobjektiv. Der Bildwinkel ist sehr klein. Und auch die Perspektivlinien sind eng gefächert.
Wenn ich ein Weitwinkel nehme, dann muss ich sehr dicht an das Hauptmotiv heran - sagen wir mal 1 Meter. Die Distanz zum Hintergrundmotiv hat sich zwar auch verkürzt, aber nur unwesentlich. Nun habe ich sehr steil auseinander strebende Perspektivlinien in einem großen Bildwinkel. Mal von Verzeichnungen abgesehen hat die Brennweite keinen Einfluss auf die perspektivische Darstellung. Elmar Baumann zeigt das sehr schön an einer Teleaufnahme, die er mit einer Ausschnittsvergrößerung aus einer Weitwinkelaufnahme vergleicht.
Also zu meinem 35 mm: Ich bin mit diesem Objektiv einfach dichter dran (Robert Capa ich komme!).  

[Update]
So, jetzt bin auch ich wieder etwas schlauer. Die Frage, nach den perspektivischen Eigenschaften eines Objektivs hatte ich ja unlängst geklärt - aber warum ein Objektiv mit einer sogenannten Normalbrennweite wie ein Weitwinkel rüberkommen kann, war damit noch nicht beantwortet. Fündig geworden bin ich in dem Buch "Meisterschule Digitale Fotografie - Kameratechnik wirklich verstehen" von Reinhard Wagner und Klaus Kindermann. 
Das Problem ist vom Standpunkt der Optik das Auge und der Tatsache, dass wir gar nicht wahrnehmen, was wir sehen. 
Das menschliche Auge projeziert ein Bild vergleichbar mit einem Fishey, das zu allem Überfluss nur im Zentrum scharf stellt. Die gesamte Szenerie wird dann im Gehirn aus mehreren Schnappschüssen zusammengesetzt. Gleichzeitig werden verschiedene (zum Teil semantische) Filter angewandt, die unter anderem die Perspektive korrigieren. Solch einer Korrektur verdanken wir, dass wir die Füße eines vor uns stehenden Menschen größer wahrnehmen, als wir sehen. Bei einem Betrachtungsabstand von 2,5 Metern auf Augenhöhe sind die Füße mehr als 3 Meter entfernt und damit perspektivisch verkürzt. Im Gehirn wird diese Verzerrung realer Proportionen beim Zusammensetzen der Einzelbilder korrigiert - im Objektiv aber nicht. 
Fazit: Ein wesentlicher Punkt beim Fotografieren ist der Umgang mit dem Unterschied zwischen Sehen und Wahrnehmen. (Damit wäre endgültig geklärt, dass das Ganze nichts mit der Sensorgröße zu tun hat)

Würde ich es wieder kaufen?

Definitiv!!! Das Objektiv ist für mich der absolute Preis-Leistungs-Sieger. Es ist nicht nur eine echte Immer-Dabei-Linse, da sie klein und leicht ist, nein zur Zeit ist sie meine absolute Lieblingslinse. Sie besitzt eine gute Lichtstärke, eine für mich wunderbare Brennweite und ist für viel mehr geeignet als bloß Porträts.





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